Willkommen zur achten Ausgabe von „10 Ideen im Asset Management“. Nach vielen Maßstäben war 2024 ein turbulentes Jahr: erhöhte geopolitische Spannungen, verheerende Wetterereignisse, umfassende soziale Unruhen und Herausforderungen des liberal-demokratischen Weltordnungssystems. Die meisten Märkte, insbesondere in den USA, blieben davon unbeeindruckt – die Inflation wurde eingedämmt, und die Aussicht auf eine lockerere Politik (zuerst monetär, jetzt regulatorisch) hat einen zweijährigen Aufwärtstrend befeuert, der die Geschäfte von Asset Managern beflügelt hat. Doch unter der Oberfläche zeichnen sich interessante Entwicklungen ab, die die Branche 2025 und darüber hinaus prägen werden. Für unsere Einschätzungen laden wir Sie ein, weiterzulesen.
Integration wird zentrale Voraussetzung für ganzheitliche Kundenlösungen
Mit der Entwicklung der Kundenbedürfnisse hin zu ganzheitlichen Lösungen und nahtlosen Erlebnissen sind integrierte Unternehmen mit vielfältigen Fähigkeiten – von Produktentwicklung, Vertrieb und Beratung über Asset Service und Verwaltung bis hin zur Risikovermittlung – ideal positioniert, um passende Lösungen für bisher unbefriedigte Anforderungen bereitzustellen. Bisher haben nur wenige Unternehmen diese Potenziale ausgeschöpft. Das wird sich ändern, wenn Unternehmen ernsthaft daran arbeiten, Geschäftssilos abzubauen, Datenmodelle zu vereinheitlichen, unternehmensweite Anreizsysteme anzugleichen und ihre Betriebsmodelle neu auszurichten, um Lösungen zu schaffen, die Kundenpräferenzen und nicht veraltete Organisationsstrukturen widerspiegeln. Der 400-Milliarden-Dollar-Ruhestandsmarkt ist ein Musterbeispiel für diesen integrierten Ansatz – hier werden Asset Management, Beratung, Versicherungen und Technologie eng miteinander verzahnt.
Öffentliche und private Märkte verschmelzen zu hybriden Anlagestrategien
Investoren streben nach verlässlichen Ergebnissen zum besten Preis. Weder öffentliche noch private Anlageklassen können allein dieses Ziel erfüllen – beide spielen eine wichtige Rolle. Asset Manager werden gelistete und nicht gelistete Wertpapiere – vor allem Kreditprodukte – kombinieren, um bessere Ergebnisse mit höheren risikoadjustierten Renditen, optimierten Liquiditätsbedingungen und attraktiven Gebühren zu erzielen. Halbliquide Fondskonstrukte, die seit 2018 mit jährlich 19 % wachsen (z. B. der European Long-Term Investment Fund), werden weiter zulegen; verbesserte Technologien ermöglichen individuelle Lösungen, und Börsen bauen die notwendige Infrastruktur, etwa für Sekundärmärkte. Diese Entwicklung ist komplex: Die Strukturierung, der Vertrieb und die Preisfindung innovativer Kapitalprodukte stellen Herausforderungen dar, denen sich eine steigende Zahl von Partnerschaften und Übernahmen annehmen wird.
Versicherer maximieren den Wert ihrer Asset-Management-Gesellschaften
Versicherer wollen den Wert ihrer Asset-Management-Gesellschaften steigern. Angesichts der Suche nach Wachstumsmöglichkeiten werden sie drastisch vorgehen, um das Potenzial der knapp 9 Billionen Dollar verwalteten Vermögens freizusetzen. Dies geschieht auf vier Wegen: (1) eine vollständige Fokussierung auf Asset Management mit Reorganisation zum „Asset Management-geführten Versicherer“, der eigene (oder rückversicherte) Verbindlichkeiten zur Finanzierung von Investitionsstrategien einsetzt; (2) intensiver Einsatz von Seed-Capital-Programmen und kreative Nutzung der Bilanz zur Beschleunigung von Investmentstrategien; (3) Aufbau eines internen „Asset-Management-Dienstleisters“ für den Konzern oder spezielle Anforderungen; oder (4) Veräußerung der Asset-Management-Einheit zur Reinvestition der Erlöse in das Kerngeschäft.
Distribution gewinnt gegenüber Investment als Differenzierungsfaktor deutlich an Bedeutung
Investment-Performance bleibt relevant, verliert aber als Differenzierungsmerkmal für fast alle – mit Ausnahme weniger Ausnahmen – an Gewicht. Für die Mehrheit wird künftig eine herausragende Vertriebs- und Kundenmanagementkompetenz bei gleichzeitig wettbewerbsfähiger Performance entscheidend sein. Viele Unternehmen investieren bis zu 80 % ihres Technologie-Budgets direkt in die Investmentabteilung, deren Gehaltskosten etwa 50 % höher sind als die der Vertriebsabteilung. Dieses Ungleichgewicht wird geringer, Investitionen fließen vermehrt in Vertrieb und Kundenbindung. Die nächste Anwendung generativer KI, fortschrittliche Datenanalysen oder Spitzenkräfte werden häufiger im Vertrieb als im Investment eingesetzt.
Asset Manager prüfen internationale Präsenz und setzen verstärkt auf lokale Strategien
Trotz hoher Investitionen und Aufwand ist es den meisten Asset Managern in den USA und Europa bisher nicht gelungen, den Anteil von Vermögen aus außereuropäischen bzw. ausländischen Kunden signifikant zu steigern. Der durchschnittliche Auslandsanteil bei großen Managern fiel seit 2018 von 23 % auf 21 %. Die Skalierung von Investmentprodukten im Export ist herausfordernd, da lokale Kunden „heimisch“ wirkende Produkte bevorzugen und heimische Anbieter konkurrenzfähiger wurden. Zugleich steigen die internationalen Vertriebskosten deutlich, ohne einen entsprechenden Erfolg zu erzielen. Diese problematischen Auslandsexpansionen führen nicht zum Verzicht auf weltweite Ambitionen, sondern zu einem fokussierten Ausbau lokaler Produkt- und Geschäftsmodelle in ausgewählten Kernmärkten.
Quantitative Strategien erfahren Renaissance als Wachstumstreiber
Der Druck auf das aktive Management nimmt weiter zu, und viele Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand. Ursachen sind mittelmäßige Performance, sinkende Gebühren und steigende Produktionskosten. Asset Manager erkennen zunehmend die Vorteile systematischer Strategien, die quantitative Werkzeuge und Signale nutzen, um effizient und kostengünstig Portfolios aufzubauen. Die Integration quantitativer Portfolio-Konstruktion in fundamental orientierte Strategien kann die Produktionskosten um bis zu 30 % senken und aktive Geschäftsmodelle revitalisieren.
Direktvertrieb wird zur entscheidenden Methode für Kundenzugang und -bindung
Nach Jahrzehnten des Outsourcing an Intermediäre und Investmentberater finden sich Asset Manager oft auf standardisierte Komponenten reduziert, mit hohen Kundenakquisitionskosten und geringem Endkundenwissen. Direkte Vertriebsstrategien sind kein Rückschritt, sondern unverzichtbar für die Datensammlung und ein vertieftes Kundenverständnis, das für maßgeschneiderte Lösungen entscheidend ist. Captive- und Direktvertrieb bieten zudem Services und Beratung, die Kunden halten, wenn die Performance schwächelt. Ängste vor Konflikten zwischen Kanälen sind überzogen, da viele Anleger ihr Vermögen zwischen selbstverwalteten und beratenen Portfolios aufteilen. Captive- und Direktverkäufe von Investmentfonds machen bereits 15 % des weltweiten Volumens aus und werden weiter zunehmen.
Weg vom Börsenzwang: Asset Manager fokussieren langfristiges Wachstum und Innovation
Traditionelle Asset Manager, die grundlegende Transformationen in Produktangebot, Vertrieb, Technologie und Talentmanagement vorantreiben, müssen Gewinne reinvestieren, Kapital umschichten und Organisationsmodelle revolutionieren – Anforderungen, die mit der Quartalsberichterstattung oft nicht harmonieren. Alternative Asset Manager mit Schwerpunkt auf Private Markets stellen inzwischen 70 % der globalen Marktkapitalisierung, ein Wert, der sich seit 2018 versechsfacht hat. Traditionelle Asset Manager (abgesehen von den größten) haben hingegen keine Wertsteigerung erzielt. Finanzinvestoren bleiben skeptisch gegenüber Wachstumsprognosen für traditionelle Manager und hinterfragen die hohen Bewertungen der alternativ orientierten Anbieter. Mehrere börsennotierte Asset Manager werden daher den Schritt in den privaten Markt wagen oder durch kreative Fusionen und Übernahmen (M&A), Kombinationsmodelle mit Finanzdienstleistern oder Management-Buyouts eine gewisse Unabhängigkeit anstreben.
Strategische Partnerschaften werden Schlüssel zur Kosteneffizienz im Asset Management
Asset Manager sind zunehmend abhängig von Technologie- und Dienstleistungsanbietern, an die sie große Teile von Non-Core-Funktionen ausgelagert haben, sowie von spezialisierten Anbietern für kritische Daten und Rechenkapazitäten zur Effizienzsteigerung ihrer Investment- und Vertriebsprozesse. Allein bei Marktdaten sind jährliche Vertragssteigerungen von 8 bis 15 % üblich und oft unbegrenzt als „Inflation“ ausgewiesen. Um Machtverhältnisse auszugleichen und Kostendruck zu begegnen, werden Manager verstärkt auf strategische Partnerschaften setzen, die Daten-Sharing mit anderen Managern und strategische Allianzen mit Anbietern beinhalten, um im Gegenzug bevorzugte Konditionen zu erhalten.
Ruhestand entscheidend: Lösungen für sichere Einkommensströme werden zum Must-have
Monatelang blieb die breite Einführung von Lösungen für Renteneinkommen aus, doch neue Entwicklungen rücken dies näher in die Realität. Die Innovationskraft in Zusammenarbeit von traditionellen und alternativen Managern, Versicherern sowie Technologie- und Ordneranbietern nimmt zu: kontinuierlich erscheinen neue Produkte, die höhere Einkommens- und Langlebigkeitsgarantien in einfacheren, „sichereren“ (wenn auch nicht immer günstigeren) Verpackungen versprechen. Die Dringlichkeit für Einkommenslösungen steigt, da klassische Garantien (gesetzliche und betriebliche Renten) in alternden Gesellschaften schwinden. Regulatorische Reformen und politische Initiativen fördern die Verbreitung. Während viele Angebote kaum nennenswerte Verbreitung finden, erwarten wir, dass sich einige mit überzeugenden Konzepten durchsetzen und zum Marktstandard werden.